Obst- und Gartenbauverein 1914
Dossenheim

Vereins-Chronik

Die Gründerjahre


Im Jahre 1905 trafen sich erstmals einige Dossenheimer Landwirte, um gemeinsam ihre Kenntnisse über den Kirschenanbau zu erweitern und zu verbessern. Diese Gruppe gründete dann im Jahre 1914 den Obst- und Gartenbauverein Dossenheim, als sie auf Initiative zweier Heidelberger Obstbauinspektoren auch andere Obstarten sowie den Gemüse- und Weinbau in ihren Interessensbereich aufnahmen.

Der Schwerpunkt lag in den folgenden Jahren immer noch auf dem Kirschenanbau. Man brachte aber regelmäßig sein Wissen über Pflanzung, Pflege, Düngung und Pflanzenschutz bei allen Kulturen mit theoretischen und praktischen Schulungen sowie mit Lehrfahrten auf den neuesten Stand. Sogar einen kompetenten Referenten aus dem fernen Dresden hatte man zu Gast.


Aufgrund der schwierigen Situation für die Landwirtschaft in der Weimarer Republik ab 1927/28 legten viele Landwirte in den folgenden Jahren auf Empfehlung der Obstbauberatung Äpfel-, Birnen-, Pfirsich- und Zwetschgenbäume an. Auch der Erdbeer- und Gemüseanbau wurde intensiviert. Wegen der Nähe zu den Städten Heidelberg und Mannheim, erhoffte man sich dadurch ein besseres Einkommen.


Obstausstellung im Gasthaus Adler um 1920

Nach langwierigen Gesprächen des Obstbauvereins in den 20er Jahren mit der Gemeinde und weiteren Behörden über den Bau einer Vermarktungshalle, konnte die erste Markthalle in Dossenheim Anfang der 30er Jahre realisiert werden. Am heutigen Standort der Heidelberger Volksbank wurde eine Halle errichtet, die Sammelstelle der 1930 eröffneten Handschuhsheimer Markthalle war. Die Jahre zuvor brachten die Bauern ihre Waren, hauptsächlich Kirschen, an wechselnden Plätzen im Ort zu Obsthändlern – hier sei an die Dossenheimer Familien Böhler, Botz, Günther und Stern erinnert. Diese „packten“ dann die Waren, zum Beispiel nähten sie die Körbe mit den Kirschen mit Säcken zu, und verschickten sie innerhalb Deutschlands mit der Eisenbahn oder per Schiff bis nach England. Einen anderen Teil der Ware brachten die Bauern  auf den Wochenmarkt nach Heidelberg.


Protokoll der Vollversammlung 1933

In den 20er und 30er Jahren wurden massenhaft die Obstbäume zur Qualitätsverbesserung mit neuen Sorten veredelt. Denn auch damals stand man schon im Wettbewerb sowohl mit inländischer als auch mit ausländischer Ware. Um der Öffentlichkeit die Leistungsfähigkeit und Produktvielfalt des hiesigen Obst- und Gartenbaus zu demonstrieren, wurden damals mit benachbarten Vereinen in den Sälen der örtlichen Gasthäuser Ausstellungen organisiert.
Ende der 30er Jahre entdeckten die Bauern dann den Feldsalat als lukrative Einnahmequelle im Winter. Das hatte leider zur Folge, dass aus Zeitgründen die im Winter nötigen Pflegearbeiten an den Obstbäumen vernachlässigt wurden.


Der Weinbau hatte in diesen Jahrzehnten keine große Bedeutung mehr in Dossenheim. Zu erwähnen ist vielleicht, dass 1930/31 die ertragreichen aber reblausanfälligen Amerikanerreben verboten und durch Müller-Thurgau- und Sylvanerreben ersetzt wurden.


Ab Anfang der 40er Jahre hielt der Obst- und Gartenbauverein seine Versammlungen aufgrund der politischen Lage gemeinsam mit der Bauernschaft ab.


Die Nachkriegsjahre bis in die 70er Jahre

Die nach dem Kriege darniederliegende Vereinstätigkeit, wurde 1948 wieder neu belebt. Man vermittelte in den folgenden Jahren den über 200 Mitgliedern in vielen Vorträgen und Schulungen die damals neuesten Erkenntnisse im Obst-, Gemüse- und Weinbau. Mit Sammelbeschaffungen kaufte der Verein günstig Waren für die Mitglieder ein. Zum Teil waren es Kompensationsgeschäfte, d. h. es wurden dafür Naturalien eingetauscht. Einige Vereinsmitglieder führten in diesen Jahren im Auftrag der Gemeinde, die vom Staat angeordneten und bezahlten Spritzungen gegen die San-José-Schildlaus durch.


Mitte der 50er Jahre begannen intensive Planungen für eine Nutzwasserversorgung im Dossenheimer Feld. Da dieses Projekt durch die Behörden immer wieder verzögert wurde und man Ende der 60er Jahre von einer bevorstehenden Flurbereinigung erfuhr, verfolgte man dieses zunächst nicht weiter. Es sollte erst nach der Flurbereinigung wieder in Angriff genommen werden.


Im Jahre 1953 wurde die alte Markthalle durch eine größere Halle auf der gegenüberliegenden Straßenseite am Raiffeisenplatz ersetzt (das heutige Möbelhaus Kirsch). Die alte Halle diente noch einige Zeit als Leergutlager, bevor sie einem Neubau der heutigen Volksbank weichen musste. Auf Antrag des Obstbauvereins wurde 1959 unser damaliger Kassier Edwin Apfel, als Vertreter der Dossenheimer Anlieferer in den Vorstand der Markthallengesellschaft gewählt. Dadurch wurde der Dossenheimer Sammelstelle mehr Gewicht in der Geschäftsführung verliehen.


Zu dieser Zeit bauten im Dossenheimer Feld sehr viele Familien auf ihren Äckern noch für sich selbst Obst, Gemüse und Kartoffeln an. Was über den Eigenbedarf hinaus produziert worden war, lieferte man bei der Markthalle an. Viele erinnern sich noch, als meistens die Frauen mit ihren Handwagen in langen Reihen vor der Markthalle anstanden, um ihre Erdbeeren und Kirschen anzuliefern. Die Anliefererschlange zog sich zu den besten Erntezeiten von der Markthalle über die Beethovenstraße, die Bahnhofstraße über die B 3 hinweg bis zur Jahnstraße hin; heute unvorstellbar. Die Dossenheimer Markthalle hatte in den 60er Jahren 1000 Anlieferer. Für die Familien war es ein willkommenes finanzielles Zubrot, das auch der Dossenheimer Geschäftswelt zu Gute kam. Viele kauften sich von diesen Einnahmen neue Kleidung, Elektrogeräte usw. Der Einkauf am Ort war damals selbstverständlich; entsprechend breit gefächert war auch das Angebot des Einzelhandels.


Die Marktleitung empfahl in diesen Jahren den Dossenheimer Landwirten Gewächshäuser- und Folienhäuser zu bauen und auch im Freiland mehr mit Folien zu arbeiten. Gleichfalls sollte eine Nutzwasserversorgung installiert werden. Mit diesen Maßnahmen wurden in Handschuhsheim nachweisbar höhere Erlöse erzielt. Zusätzlich hielt man für die Landwirte noch Schulungen im Anbau von Frühgemüse und Erdbeeren ab, und organisierte Lehrfahrten in namhafte Gemüseanbaugebiete im In- und Ausland.


Die Marktleitung entschied sich 1967 die drei Hallen in Dossenheim, Handschuhsheim und Wieblingen zu verkaufen und an der Gemarkungsgrenze Dossenheim/Handschuhsheim eine neue, moderne Großmarkthalle zu errichten. Diese wurde im Juli 1970 eingeweiht. Jetzt konnte dem Großhandel das Dossenheimer und Handschuhsheimer Obst und Gemüse zentral angeboten werden. Auch verfügte hier der Markt erstmals über Kühlhäuser.


Die 70er Jahre bis heute


Im Jahre 1974 stand im Dossenheimer Feld die Flurbereinigung an. Die kleinen und über die ganze Gemarkung verstreuten Flächen der einzelnen Betriebe wurden nun zu großen Einheiten zusammengelegt. Somit wurde den Betriebsleitern ein rationelleres Arbeiten ermöglicht. Infolge dieser Maßnahme rodete man viele hochstämmige Obstbäume. Nach Beendigung dieses Verfahrens konnte nun wieder die Installierung einer Nutzwasserleitung in Angriff genommen werden. Im Mai 1977 nahm schließlich der neugegründete Beregnungsverband seinen Betrieb auf. Zuvor war nur begrenzt eine Bewässerung mit teurem Trinkwasser aus dem Gemeindenetz möglich.Diese Maßnahmen verschafften dem Dossenheimer Gartenbau weiteren Auftrieb. Auch der Erdbeeranbau wurde nun deutlich ausgeweitet. Mit dem Bau weiterer Gewächshäuser in den 80er Jahren, konnte man so das ganze Jahr den Markt mit Ware versorgen.


Die Vereinsarbeit von den 50er bis in die 80er Jahre war davon geprägt, den Mitgliedern in Vorträgen, mit Schulungen und Lehrfahrten immer die neuesten Erkenntnisse über Anbaumethoden, Düngung und Pflanzenschutz im Obst- und Gemüsebau zu vermitteln, sowie mit dem Bau der Beregnungsanlage für bessere Anbaubedingungen zu sorgen.


Ab Mitte der 80er Jahre änderte sich das. Die Zahl der Nebenerwerbsgärtner nahm langsam, aber stetig ab, sei es aus Altersgründen oder weil die Erzeugerpreise keinen finanziellen Anreiz mehr boten. Die hauptberuflichen Gärtner schlossen sich überregionalen Fachgruppen und Beratungsdiensten an. Daher lud man nun auch Nichtmitglieder zu den Informationsveranstaltungen und Schneidkursen ein. Diese Veranstaltungen waren sehr gut besucht und man konnte neue Mitglieder gewinnen. Bot man bisher nur Schneidkurse für Obstbäume und –sträucher an, hielt man 1986 auch erstmals einen für Ziergehölze ab, der auf große Resonanz stieß. Seitdem sind diese Schneidkurse fester Bestandteil im Jahreskalender. Es folgten Vorträge über Zierpflanzen und Besichtigungen von Mustergärten. Im Jahre 1988 fand erstmals zusammen mit dem Kreisverband Heidelberg, dem Heimatverein und der Gemeinde Dossenheim ein Blumenschmuckwettbewerb unter dem Motto „Unser Dorf soll schöner werden“ statt. Hier wurde der Sommerflor an den Häusern sowie in den Höfen und Vorgärten bewertet und prämiert. Diese Aktion wurde bis zum Jahre 2007 veranstaltet.


Ehrung beim 80-jährigen Jubiläum

Im Laufe des Jahres 1990 arbeitete die Vorstandschaft erstmals eine eigene Vereinssatzung aus. Bei der Generalversammlung am 23.02.1991 wurde sie verabschiedet.
Im Jahre 1992 pflanzten wir zusammen mit dem Obst- und Gartenbauverein Handschuhsheim am Obstgartenweg alte Obstsorten. Der ca. 1,3 km lange Obstgartenweg verbindet die beiden Orte vorbei an Kleingärten oberhalb der B3, am Westhang des Odenwaldes.
Am 2. Oktober 1994 feierte der Verein sein 80-jähriges Bestehen mit einem Bunten Nachmittag unter Mitwirkung der Landfrauen, der Pfarrmusik und der Trachtengruppe des Heimatvereins im Augustinusheim.
In den 90er-Jahren veranstalteten wir neben den schon erwähnten Schnittkursen an Obstgehölzen und Rosen, auch Vorträge zu den Themen „Bedarfsgerechte Düngung von Pflanzen auf der Grundlage von Bodenanalysen“ sowie „Biologischer Pflanzenschutz mit dem Einsatz von Nützlingen gegen Schadinsekten“.


Ab dem Jahre 2000 hielten wir jährlich am ersten Sonntag im Juni auf der Rosenanlage unseres damaligen 1. Vorsitzenden Kurt Fischer den beliebten Rosentag ab. Auch spendeten wir öfters Obstbäume oder Rosen, die wir auf öffentlichen Plätzen und an Gebäuden wie dem Pflegeheim Stephanus pflanzten. Ab dem Jahre 2011 bis zum Jahre 2020 pflanzten wir jährlich im Frühjahr mit den Erstklässlern der Dossenheimer Schulen im Eingangsbereich des Steinbruchs Leferenz einen Apfelbaum.
Im Oktober 2014 feierte unser Verein sein 100-jähriges Bestehen. Am 12. Oktober 2014 gedachten wir auf dem Friedhof unserer verstorbenen Mitglieder. Sechs Tage später feierten wir dann unser Jubiläum im vollbesetzten Martin-Luther-Haus mit  bunten Programm. Zu diesem Jubiläum haben wir auch eine Festschrift  erstellt.

Ein weiterer Höhepunkt war im Jahre 2016 die 1250-Jahr-Feier der Gemeinde Dossenheim. Für das Jubiläumswochenende Mitte Juli hatten wir eine Ausstellung von historischen Landmaschinen organisiert. Diese Ausstellung im Eingangsbereich zum Steinbruch Leferenz war für die Besucher ein richtiger Blickfang. Es wurden viele Fragen zu den Maschinen gestellt und sie waren ein beliebtes Fotomotiv der Besucher. Der Bericht der Rhein-Neckar-Zeitung über diese Ausstellung trug den Titel „Traktoren und Geräte wie aus einer anderen Welt “.
In diesen Jahren machte man sich im Vorstand auch Gedanken über das Fortbestehen des Vereins. Zum einen lag das Durchschnittsalter unserer Mitglieder deutlich über 75 Jahre. Zum anderen war abzusehen, dass wir in naher Zukunft wichtige Veranstaltungen nicht mehr würden abhalten können. Bisher stellten uns dafür immer einzelne Vereinsmitglieder ihre Grundstücke und Obstanlagen  zur Verfügung. Dem Alter unserer Mitglieder geschuldet stand leider fest, dass das mittelfristig nicht mehr möglich sein würde. Als dann unserem 1. Vorsitzenden Hermann Gaber im Gewann Maßenäcker zwei nebeneinanderliegende Grundstücke zur Pacht angeboten wurden, griffen wir deshalb zu. Im Frühjahr 2018 begannen wir mit der Bepflanzung. Bevor die Grundbepflanzung abgeschlossen war, wurden auch wir im Frühjahr 2020 von der Coronapandemie überrascht und für fast zwei Jahre ausgebremst.


Mit Beginn der bundesweiten Kontaktbeschränkungen veröffentlichten wir jeden Monat einen größeren Bericht in den Gemeindenachrichten zu  in der Jahreszeit anfallenden Gartenarbeiten sowie zu Schnitt- und Veredlungstechniken bei Obstbäumen. Den Rückmeldungen konnten wir entnehmen, dass diese Berichte bei vielen Leserninnen und Lesern der Gemeindenachrichten sehr beliebt waren.
Die Zeit während der Coronapandemie nutzten wir auch für eine Neufassung unserer Vereinssatzung. Zum einen deckten die Kontaktbeschränkungen während der Pandemie Schwachstellen der bisherigen Satzung auf . Zum anderen machten es Entwicklungen im Vereinswesen und Vereinsrecht sowie neue Vorgaben der Abgabenordnung zur steuerlichen Gemeinnützigkeit erforderlich, die bisherige Satzung vom 23. Februar 1991 zu ändern. Die Neufassung  wurde von der Mitgliederversammlung am 20.06.2022 angenommen und ersetzt seitdem die alte Satzung.


Froh darüber, dass alle Vereinsmitglieder die Pandemie gesund überstanden haben, laden wir seit 2023 zusammen mit der Klimawerkstatt und der Volkshochschule Dossenheim zu unseren fachlichen Veranstaltungen ein. Dadurch erreichen wir auch Interessierte, die zum Obst- und Gartenbauverein als alleinigem Gastgebenden nicht den Weg gefunden hätten.
Seit dieser Entscheidung hat sich im Obst- und Gartenbauverein schnell ein engagiertes Führungsteam gefunden, das trotz verschiedener Sichtweisen auf den Gartenbau, harmonisch zusammenarbeitet. Mit diesem respektvollen und unvoreingenommenen  Auftreten dürfte der Obst- und Gartenbauverein für die Zukunft einen guten Weg eingeschlagen haben.

Schriftführer: Werner Schröder